1. Begriffsklärungen
1.1 Sexualisierte Gewalt
Bei sexualisierter Gewalt handelt es sich um die Ausnutzung eines Machtgefälles aufgrund von Geschlecht, Alter, körperlicher Überlegenheit, Herkunft sowie sozialem Status. Die Betroffenen sind aufgrund des bestehenden Machtgefälles meist nicht in der Lage, ohne Unterstützung von außen für ihr Recht auf seelische und körperliche Unversehrtheit und ihr Recht auf Hilfe wirksam einzutreten. Sexualisierte Gewalt liegt nicht erst bei strafrechtlich relevanten Tatbeständen (Missbrauch = sexuelle Gewalt, siehe 1.4) vor, sondern bereits bei Grenzverletzungen und Übergriffen.
1.2 Grenzverletzung
Eine Grenzverletzung ist eine einmalige oder gelegentliche unangemessene Verhaltensweise, die häufig unbeabsichtigt geschieht und die sich verbal, nonverbal oder körperlich ausdrücken kann. Die Unangemessenheit orientiert sich nicht nur an objektiven Kriterien, sondern v.a. am subjektiven Erleben der Betroffenen. Grenzverletzungen treten immer wieder auf, ihnen gilt besondere Aufmerksamkeit in der Gestaltung der Beziehung von Menschen, die in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen, z.B. Vorgesetztenverhältnis, Seelsorgegespräche, geistliche Begleitung sowie im Kontext von Erziehung, Betreuung und Pflege.
1.3 Übergriff
Im Unterschied zu einer Grenzverletzung geschieht ein Übergriff immer geplant und beabsichtigt. Übergriffig handelnde Personen setzen sich über gesellschaftliche Normen, institutionelle Regeln, fachliche Standards und den Widerstand der Opfer hinweg und versuchen, das Selbstbestimmungsrecht des Anderen zu überwinden. Beispiele hierfür sind abwertende, sexistische oder rassistische Bemerkungen oder die bewusste Missachtung von Schamgrenzen, z.B. durch scheinbar zufällige Berührungen.
1.4 Missbrauch
Ein Übergriff wird zu Missbrauch, wenn eine besondere Machtposition oder eine Abhängigkeitsbeziehung ausgenutzt wird. Ein Mensch missbraucht seine Position bzw. das Vertrauen eines Anderen, indem er dessen Grenzen gezielt überschreitet – nicht selten unbemerkt oder unter dem Anschein guter Absichten. Bei weitem am häufigsten findet Missbrauch innerhalb eines institutionell etablierten Vertrauensverhältnisses statt. Sehr oft ist der Missbrauch kein Einzelereignis, sondern prägt die Beziehung von Täter und Opfer über einen längeren Zeitraum (Monate oder Jahre).