Geschichte der Kirche St. Norbert

Die Heimkehrerkirche St. Norbert

Aus der Festschrift zum 25. Weihetag (1980)

Zum Kriegsende wohnten etwa 8 Katholiken in Friedland. Viele Flüchtlinge und Heimatvertriebene siedelten sich in Friedland und Umgebung an, und eine eigenständige katholische Gemeinde wuchs heran.

»Die Kirche sollte auch Mittelpunkt der „Kirche von Friedland“ werden, Lebensmitte unserer Pfarrgemeinde. Wir, die in Friedland und in den Dörfern ringsum ein neues Zuhause gefunden hatten, sollten katholisches Leben, das vor über 400 Jahren erloschen war, wieder in und durch uns erstehen lassen.« (aus dem Grußwort von Dr. Josef Krahé zum 25jährigen Kirchweihfest, 26. Juli 1980)

Unter dem ehemaligen Lagerpfarrer Dr. Josef Krahé, der aus der Erzdiözese Köln stammt, wurden 1953 mit dem Bauorden des Pater Werenfried van Straaten Siedlungshäuser für Flüchtlinge und Heimatvertriebene in Friedland errichtet. Am 2. September 1954 wurde durch den Hildesheimer Weihbischof Dr. Johannes Bydolek der Grundstein für die Heimkehrergedächtniskirche St. Norbert gelegt.

Am 18. Dezember 1955 konsekrierte der Erzbischof von Köln, Josef Kardinal Frings, die Kirche zu Ehren des hl. Norbert von Xanten. Das „Ewige Licht“, ein Geschenk des damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer, brennt noch heute im Altarraum.

1956 wurden die Glocken geweiht. Die große von 1704 stammt aus dem Dom zu Frauenburg/Ostpr. Die mittlere Norbert-Glocke wurde in Gescher/Westf. gegossen und die kleine stammt aus dem schlesischen Ort Welkersdorf.

1974 wurde das Gotteshaus gründlich renoviert; 1975 am 16. März weihte Bischof Heinrich Maria Janssen den Altar der renovierten Kirche.

Generalvikar Sendker aus Hildesheim weihte am 19. April 1975 die neue Orgel. Diese wurde von der Fa. Stockmann in Werl nach Plänen des Domorganisten Fritz Soddemann, Hildesheim, gebaut. Am 8. Juli 1975 wurde über dem Altar die Doppelkrone installiert.

55 Jahre St. Norbertkirche in Friedland

Vortrag von Herrn Werner Freiberg im Festgottesdienst im Dezember 2010

Die katholische St. Norbertkirche, die 1954/55 an der Heimkehrerstraße im Grenzdurchgangslager Friedland/Kreis Göttingen erbaut wurde, ist ein kirchliches Denkmal von besonderer Bedeutung. Das zeigt sich:

  • in der Art ihres Entstehens
  • in ihrer Architektur und Ausstattung
  • in ihrer kirchlichen und ideellen Funktion. 

Entstehung

Die Finanzierung erfolgte durch Spenden aus der gesamten Bundesrepublik, vor allem durch Zuwendungen des Erzbistums Köln. Bauausführende waren neben ortsansässigen Handwerkern und Angehörigen der Kirchengemeinde Mitglieder des von Pater Werenfried van Straaten gegründeten Internationalen Bauordens, dem junge Männer aus Frankreich, Belgien, Holland, der Schweiz und Deutschland auf Zeit angehörten. 

Die Einweihung erfolgte am 4. Adventssonntag 1955 durch den damaligen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, den Erzbischof von Köln, Joseph Kardinal Frings. 

Bedeutung als Bauwerk

Der Redakteur Michael Schäfer schreibt dazu im Kalender „Kirchenglocken der Region Göttingen, 2011“: Die von dem Göttinger Architekten Friedrich Wagener entworfene Kirche „ist über die kirchliche Funktion hinaus ein ungewöhnliches Kunstwerk. In vielfältiger Weise spiegelt sich in ihrer Architektur und in der Innenausstattung der Stil der 50er Jahre, weshalb sie heute unter Denkmalschutz steht. ... Zu den Kunstschätzen der Kirche gehört ein Kreuzweg von Christa Adrian, das mehrteilige Relief "Gefangenenlager" von Fritz Theilmann, Kirchenfenster von Ludwig Bauer aus Telgte, dazu Gemälde und Wandteppiche, die Ölkreidezeichnung eines Heimkehrers "Madonna hinterm Stacheldraht" und anderes mehr. Das Ewige Licht ist ein Geschenk des damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer. Ein Altarkreuz spendete der Bundespräsident Theodor Heuss. Es wurde allerdings im März 1963 gestohlen.“ [Anmerkung: Im Mai 2019 wurde das Kreuz anonym zurückgegeben.] 

In Zusammenarbeit mit der Denkmalbehörde des Bistums und dem Bistumsarchiv wird derzeit ein Kunstinventar erstellt. Dabei werden alle Daten der Kunstobjekte erfasst, deren Zustand untersucht und eventuelle Restaurierungsmaßnahmen in Vorschlag gebracht.

Ein solches Bauwerk bedarf natürlich der laufenden Pflege und Unterhaltung, gegebenenfalls auch einer zeitgemäßen Umgestaltung. So wurde die Kirche in den Jahren 1974/75 gründlich renoviert und der Altarbereich gemäß den liturgischen Vorschriften des II. Vatikanischen Konzils neu gestaltet.

Auch in den vier Jahren der jetzt zu Ende gehenden Amtsperiode des Kirchenvorstandes (2006 – 2010) wurden Renovierungsarbeiten ausgeführt, darunter die Erneuerung der Heizungsanlage. Im Jahr 2011 muss eine Sanierung des aus drei wertvollen Glocken bestehenden Geläutes erfolgen, welches freistehend den Witterungseinflüssen stark ausgesetzt ist. Zur Finanzierung sind wir auf Spenden von Gemeindemitgliedern und Freunden der Kirche angewiesen.

Noch nicht abgeschlossen ist die Gestaltung des Vorplatzes zum Haupteingang. Wir gehen davon aus, dass im Rahmen der vom Land Niedersachsen geplanten Gedenkstätte (Museum), in die der Kirchenbereich eventuell mit einbezogen wird, eine endgültige Lösung zur Verwirklichung kommt.

Besondere Bedeutung in ihrer kirchlichen und ideellen Funktion

Das kommt schon in ihrem Namen zum Ausdruck: 

  • St. Norbert-Kirche, der hl. Norbert aus Xanten, Ordensgründer und um 1100 Erzbischof von Magdeburg, ist der Pfarrpatron,
  • Heimkehrerkirche, dabei ist vor allem an die 1955 aus Russland heimkehrenden Kriegsgefangenen zu denken, die auf dem  Platz vor der Kirche begrüßt wurden, 
  • Friedland-Gedächtniskirche, sie ist ein kirchlicher Teil des Grenzdurchgangslagers Friedland, welches in der Nachkriegszeit bis heute für viele Menschen „Tor zur Freiheit“ geworden ist. 

Die Norbertkirche ist religiöser Mittelpunkt der ortsansässigen Katholiken, zum Teil auch Gottesdienstraum für die evangelische Gemeinde und für ökumenische Veranstaltungen. Für zeitweilig im Lager weilende Christen und Suchende aus Verfolgungs-  und Problemgebieten – zuletzt aus dem Irak – ist sie nach langen Durststrecken oft der erste würdig gestaltete Ort für Gebet und Gottesdienst. Für viele Flüchtlinge und Heimkehrer war und ist sie neben der evangelischen Lagerkapelle eine Schleuse zur Religion und zu Gott. Die seinerzeit gesprochenen Bitt- und Dankgebete finden heute ihre Fortsetzung bei Erinnerungsbesuchen von ehemaligen Lagerinsassen oder deren Nachkommen. Das Kirchenbuch mit seinen vielen Eintragungen gibt darüber Auskunft.

Diese Kirche ist durch ihren historischen Hintergrund und durch die Aussagen ihrer Bildnisse Erinnerungsort und Mahnmal, denn die Zukunft entscheidet sich auch in der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Sie erinnert an das furchtbare Leid, das Menschen durch Krieg und Gewaltherrschaft zugefügt wurde, und mahnt, sich mit Gottvertrauen für Gerechtigkeit und  Frieden einzusetzen.  

Dezember 2010, W. Freiberg, KV

Die katholische Kirche St. Norbert in Friedland.