Wandergruppe auf Luthers Spuren – Aus Sicht einer Rollstuhlfahrerin
Wie in jedem Herbst war die Wandergruppe unserer Gemeinde auch in diesem Jahr auf einer Städtereise. Am 12.10. ging es mit 32 Personen um 7.30 Uhr los mit der Bahn nach Wittenberg.
Nach der Ankunft war schon die erste Hürde: Wie komme ich mit meinem Rollstuhl (zum Glück nur vorübergehend wegen eines gebrochenen Fußes) vom Bahnsteig weg? Fahrstuhl runter, Fahrstuhl rauf, während die anderen Wanderer flott die Treppe liefen. Eine gute Stunde war dann der Marsch zum Hotel, zum Glück wurde ich geschoben. Das Hotel, ein Hotelboot auf der Elbe, hieß „Junker Jörg“, so wurde Martin Luther auf der Wartburg genannt, um seine Sicherheit zu gewährleisten. Die Zimmer waren klein, sehr sauber, hell, aber vollkommen rollstuhlungeeignet. Aber dank meiner netten und jederzeit hilfsbereiten Zimmernachbarin war dies kein Problem. In den nächsten Tagen bekamen wir viele Eindrücke und Sehenswürdigkeiten zu sehen.
Die Schlosskirche, wo Martin Luther angeblich seine 95 Thesen an die Tür angeschlagen hat. Die Originaltür ist leider in einem Brand zerstört worden, wurde aber nachgebaut. In dieser Kirche ist auch das Grabmal Luthers zu sehen.
Die Stadtkirche, St. Marien, in der Luther 2000 Predigten hielt, das Panorama von Asisi (eine Rotunde) wo der Betrachter in Luthers Zeit von 1517 versetzt wurde. Das Lutherhaus, in einem Raum mit Luthers original Mobiliar: Tisch, Stühle, Bänke, Schränke. Hier saß einst Luther, empfing hier seine Gäste, aß mit seiner Familie hier am Tisch, und jetzt sind wir hier – beeindruckend.
Am Samstag stand eine Elbefahrt auf dem Programm. Bei Kaffee, Kuchen, schönstem Sonnenschein und viel Gelächter glitten wir über die Elbe. Bei dem Abendprogramm blieb uns allerdings das Lachen in der Kehle stecken. Wir sahen ein Zwei-Personen-Theaterstück, in der Beschreibung eine unterhaltsame politische Satire. Das war es aber leider nicht. Der Fremdenhass, der in diesem Theaterstück geäußert wurde, war sehr erschreckend.
Nach dem Gottesdienstbesuch am Sonntag traten wir unsere unvergessliche Heimreise an. Zugausfälle, absolut überfüllte Züge, und dann ich mit dem Rollstuhl. Aber wir hatten doch Jürgen. Durch sein Rufen „Regina, drück“ konnten wir uns alles in den Zug quetschen und erreichten mit Verspätung wieder Göttingen. Ich bin dankbar, dass ich diese erlebnisreiche Fahrt mitmachen konnte. Ich habe allen Respekt vor den Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind oder eine andere Behinderung haben. Der Alltag ist voller Stolpersteine.
Ein ganz herzliches Dankeschön all denen, die mir auf dieser Fahrt geholfen haben. Der Dank gilt aber vor allem Jürgen Bömeke, der diese Fahrt so wunderbar geplant hat und der sich nie aus der Ruhe bringen ließ – das sage ich im Namen aller Mitfahrer.
Text: Sandra Nix